Der Kirchensaal der Herrnhuter Brüdergemeine ist eine Baustelle. Zurzeit gleich doppelt: Einmal wird gerade der Fenstereinbau vorbereitet. Unten wird aber noch etwas gebaut: ein Labyrinth. Die Idee stammt von Jan Amos Comenius, dessen Todestag sich am 15. November zum 350. Mal jährt. Sein Buch „Labyrinth der Welt und Paradies des Herzens“ schrieb er im Jahre 1623. Ja, man kann sich in dieser Welt mit all ihren schönen, verwirrenden und manchmal schrecklichen Dingen auch verlaufen. Das wissen schon Schüler und Schülerinnen. Zwanzig von ihnen bauen in diesen Tagen unter Anleitung der Bühnenbildnerin Gretl Kautzsch gemeinsam mit der Jugendmitarbeiterin Magdalena Jahr an einer Aktualisierung von Comenius‘ Labyrinth. Da sieht man das Tor des Lebens, durch das wir alle als Säuglinge in die Welt eintreten. Dass zur Kindheit nicht nur fröhliches Spiel, sondern auch Verwirrungen und Verletzungen gehören können, erfuhr Comenius im Dreißigjährigen Krieg in der eigenen Familie. Heute wissen wir, dass auch inWohlstandsgesellschaften und Friedenszeiten Kinder Gewalt erleben. Im Kirchensaal entsteht außerdem ein „Turm der Weisheit“, von dem aus alle möglichen weisen Berühmtheiten auf uns herabblicken. Ob all die versammelte Weisheit der Welt wirklich weiterführt, war wohl nicht nur Comenius‘ Frage von vor fast 400 Jahren. „Eitelkeit“, also das Vertrauen auf schnell vergängliche Werte, ist eins seiner zentralen Themen. Dazu passt der Seitenhieb auf das beliebte „Selfi mit Promi“ im Kirchensaal-Labyrinth. Mehr verrate ich nicht. Ein Besuch zwischen dem 8. und 15. November lohnt sich sicher! Tretet dann aber auch ein ins „Paradies“, hier dargestellt durch ein Tipi. Denn das Ziel von Comenius ist kein Verwirrspiel, auch nicht der Seufzer: „Wie schlecht ist doch die Welt!“ Das Ziel ist, bei sich selbst anzukommen. Im Inneren. Aber vor allem bei Jesus Christus. Mit der Kraft, die dort zu holen ist, geht es dann wieder los. Es geht sozusagen rundumerneuert zurück in die Welt. Denn wir wissen ja: Da gibt es viel zu tun. Weltverbesserer sollte seit Comenius kein Schimpfwort mehr sein. Denn die Welt ist Gottes Baustelle.
Text: Benigna Carstens - Pfarrerin der EBU