Vom Klassenzimmer direkt in den Bundestag

Wie funktioniert Politik wirklich? Der Abiturjahrgang der Evangelischen Zinzendorfschulen Herrnhut schlüpfte in die Rollen echter Abgeordneter und erlebte in einem spannenden Bundestags-Planspiel hautnah, wie Debatten, Kompromisse und Entscheidungen entstehen.

Vom Klassenzimmer direkt in den Bundestag

Was wie eine Karrierevorstellung vieler junger Menschen klingt, wurde am 26.09.2025 in den Evangelischen Zinzendorfschulen in Herrnhut zur Realität.

Der Abiturjahrgang simulierte am Freitag in aller Glaubwürdigkeit eine Sitzung des deutschen Bundestages. Die Schüler wurden in verschiedene Fraktionen aufgeteilt, welche das reale politische Spektrum abbildeten. Außerdem waren auch alle anderen Rollen vom Präsidium bis zur Presse den Schülern übergeben. Dabei wurde auch auf ein seriöses Auftreten der Teilnehmenden geachtet.

Die Organisation dieses Projektes wurde vom Präsidium übernommen, welches aus ausgewählten Schülern eines GRW-Grundkurses bestand. Die Sitzungsleitung wurde ebenfalls ihnen übergeben.

Zu Beginn der Sitzung wurde der Gesetzesentwurf der liberalen LDP (Liberale Demokratische Partei) verlesen, welches die Haltung der Bundesrepublik Deutschlands zur Anerkennung Palästinas als Staat thematisierte.

Der Gesetzesentwurf sah vor, dass die Anerkennung Palästinas als Staat erst erfolgen soll, wenn „eine umfassende Friedensvereinbarung zwischen Israel und Palästina vorliegt und die Hamas entwaffnet ist und keine politische Macht innehat“.

Zu dieser Grundlage sollten die Fraktionen sich in ihren Fraktionssitzungen zunächst positionieren. Die Schüler argumentierten dabei nicht aus ihrer eigenen Meinung heraus, sondern sollten sich in die Argumentation der zugelosten Meinung hineinversetzen und daraus handeln.

Exemplarisch äußerte sich die konservative KBD (Konservativ Bürgerliche Demokraten) gegenüber der Presse direkt, indem sie die Stimmung als hitzig und gespalten charakterisierten.

Danach ging es in die erste Generaldebatte im Plenum. Hierbei wurde leidenschaftlich debattiert. Dabei ergaben sich auch einige Zwischenrufe- und Interventionen. Während die linken Fraktionen „eine sofortige Anerkennung Palästinas“ forderten, verdeutlichten die rechten Fraktionen, „nicht mit Terroristen verhandeln“ zu wollen. Als alle Redner ihren Standpunkt dargelegt hatten und auch der ein oder andere Ordnungsruf fiel, ging es in die zweiten Fraktionssitzungen. Dort wurde über Änderungsanträge beraten und nach Kompromissen gesucht. Zuversichtlich zeigte sich hiernach die sozialistische AU (Antikapitalistische Union), welche mit klaren Aussagen voranschreiten wollte. Währenddessen hoffte die nationalkonservative DwV (Die weißen Volksnationalisten), ihre Position mit Fakten und der Wahrheit untermauern zu können.

Anschließend folgte die Schlussdebatte, in der die Abgeordneten Anträge stellen und diese diskutieren konnten. Darunter war als einziger der Änderungsantrag der AU, welcher die sofortige Anerkennung forderte. Jedoch stand unter anderem die KBD diesem Vorschlag sehr kritisch gegenüber. Sie begründete ihre Position mit der historischen Verantwortung Deutschlands. Währenddessen verfolgte die liberale LDP das Ziel, das Gesetz durchzusetzen. Trotzdem zeigte sich die Fraktionsvorsitzende den anderen Fraktionen gegenüber kompromissbereit. Aufgrund dieser Ausgangssituation wurde erneut diskutiert. Zustimmung fand die LDP bei der NSB (Neues Sozialdemokratisches Bündnis), welche sich ebenfalls für eine Anerkennung Palästinas unter festgelegten Bedingungen aussprach.

Letztendlich wurde der Änderungsantrag der AU abgelehnt, weshalb sich diese Partei bei finaler Abstimmung enthielt. Obwohl die LPD und die NSB für das Gesetz stimmten, konnte keine Mehrheit erzielt werden, da die DwV und die KBD dagegen stimmten.

Reflektierend war dieses Planspiel für alle Beteiligten eine horizonterweiternde Erfahrung, die sich resilienzstärkend auswirkte und unser Demokratieverständnis stärkte.

Die Schüler nutzten die Gelegenheit sich unter anderem in konkrete Rollen verschiedener Politiker hineinzuversetzen. Dabei war es nicht immer leicht, unter Zeitdruck Meinungsbildung, Zielsetzung, Kompromissfindung und das Eingehen auf Fragen der Presse zu vereinen. Jedoch gelang es allen Abgeordneten ihre Position würdig und überzeugt zu vertreten und dabei auch auf Zwischenfragen und Zwischeninterventionen einzugehen. Diese realistische Vorgehensweise veranschaulichte die realen Prozesse im Bundestag. Außerdem bekam jeder die Gelegenheit, sich in eine Position hineinzudenken, welche nicht der eigenen Meinung entspricht. Dies war ebenfalls eine wertvolle Erfahrung.

Derartige Projekte sind äußerst wichtig und empfehlenswert, da der Wert der Debatten und der Kompromissfindung auf anschauliche Weise erlebbar geworden ist. Auf diese Weise erhielten wir einen persönlichen Bezug zu Privilegien, wie Meinungsfreiheit und Demokratie.

Anna Franke (Klasse 12)